Es gibt die kostbaren Lichtblicke auf dem Büchertisch, die einen mit angehaltenem Atem ehrfürchtig blättern lassen. Die einen mitnehmen, in ein anderes Land, in einem fremde Küche, zu neuen Gerichten. Für die man sich Zeit nimmt und die man sich aufhebt, wie den letzten Bissen des Lieblingskuchens.
Maria Luisa kann nicht anders
- Von Platterbsen, weißen Trüffeln und einer Messerspitze Wahnsinn -
(Ein Koch-Bilder-Lese-Buch aus Umbrien)
Texte: Judith Stoletzky
Bilder: Justyna Krzyżanowska
Rezepte: Maria Luisa Scolastra
Erschienen 2012 im
Becker Joest Volk Verlag
Maria Luisa Scolastra ist die
leidenschaftliche Küchenchefin der Villa Roncalli in Foligno bei
Perugia. Ihre Familie gab ihr gastronomische Wurzeln mit auf den Weg,
der sie zuerst gar nicht in die Küche, sondern ins Ausland führte.
Schlussendlich konnte sie sich jedoch der kulinarischen Anziehungskraft
der Heimat und der dort von ihren Eltern seit den 80er Jahren
restaurierten und mit Gästezimmern ausgestattete Villa Roncalli nicht
entziehen und ließ sich als
Sommelière sowie zur Bäckerin und Konditorin
ausbilden.
Als ihre geliebte Mutter im Alter von nur 59 Jahren unerwartet in der
Küche starb, übernahm sie dort das Regiment.
Sie kocht dort mit
bewundernswerter Ruhe, hohem Qualitätsanspruch, vielen Töpfen, großem
Ernst und macht am liebsten alles selbst. Von der Lebensmittelerzeugung
bis zur Kreation eines Gerichts. Den Rezepten ihrer Mutter bleibt sie
dabei treu.
Die Sprache des Buches, ganz gleich ob Bild oder Text, ist liebevoll,
kostbar und echt. Sie weckt eine große Sehnsucht. Ein kleiner
Kochbuchschatz. Von genau solchen Schätzen und ihrer Wirkung wird
treffend im Vorwort gesprochen:
„Kaum hat man das so genannte Kochbuch aufgeschlagen, möchte man es auch
wieder zuschlagen! (…) Man möchte seinen Job hinschmeißen, Land und
Familie verlassen. Ach was, eine gründen und zwar eine große! Man möchte
eine
nonna adoptieren, mit Trüffelhunden im Morgengrauen neblige
Novemberwälder durchpflügen, seine Hände in die duftende ausländische
Scholle vergraben, Olivenbäume umarmen und Trauben in Wein verwandeln.
Man möchte (…) jeden Tag im Schatten von Zitronenbäumen fröhliche Gelage
mit einer ganzen gut gelaunten Bande aus Nachbarn, Familie,
Wahlverwandten und fremden Leuten feiern. (…) Manchmal stiftet ein Buch
voller Rezepte die Menschen sogar zum Kochen an. Bevor Sie also Ihr
Leben grundsätzlich umkrempeln, üben Sie bitte vorher wenigstens Maria
Luisas
frittata.“
Bis die nach Jahreszeiten zusammengefassten Rezepte präsentiert werden,
lernt man anhand von wundervollen Bildern und Texten auf den ersten 158
Seiten nach und nach Maria Luisa, ihre Gedanken und ihre Eigenarten
kennen und schätzen. Man streunt gedanklich durch die Villa, bekommt den
Hausheiligen vorgestellt, lernt Zutaten mit ihrer Verwendung und ihren
regionalen Lieferanten kennen. Alles in Ruhe, ohne Hektik. Bei Maria
Luisa dreht sich viel um Geduld. Und um die Jahreszeiten, die den
Speiseplan diktieren.
Die Rezepte sind übersichtlich und reduziert geschrieben, manchmal mit
Anekdoten- und immer mit passender Weinempfehlung versehen.
Maria Luisas
kompromisslose Liebe zum Detail lässt sich in den Zutatenlisten und
Geschmackskombinationen erkennen. Man findet Herzhaftes, etwas weniger
Süßes und Brotrezepte. Nichts für den ungeduldigen Koch mit Hunger zum
späten Feierabend. Lieber für einen Samstag, der mit einem ausgiebigen
Marktbesuch startet und sich fröhlich mit den besten Zutaten mehrere Stunden in der Küche
abspielt.
Allein die Geschmackskombinationen überzeugen beim ersten Lesen: Lammkarré mit offener
Artischocken-Safran-Lasagne (Frühling), Schwertfisch-Carpaccio mit
lauwarmem Dinkel-Gemüse-Salat (Sommer), Borlotti-Suppe mit Sellerie-Flan
und Parmesan-Meringue (Herbst), Paradiestörtchen mit Schoko-Mousse und
Vanille-Nuss-Sauce (Herbst), Schweinefilet in Salbei-Wacholder-Sauce mit
Wirsing-Kartoffel-Stampf (Winter).
Die ansprechenden Fotos zu den Rezepten sind authentisch entstanden.
Kein Manipulationen eines Foodstylisten, frisch aus Topf und Pfanne
schnell in das Eckchen mit dem besten Licht gerückt. Und danach vom Team
noch warm verspeist!
Ich gebe zu, bisher habe ich kein Rezept nachgekocht. Ich befürchte, es
nicht so hinzubekommen, wie es bei Maria Luisa zelebriert und kredenzt
wird. Vielmehr bekomme ich große Reiselust und würde sehr gern Gast bei
ihr sein und mich bemühen, die Kontrolle abzugeben und mich stattdessen
dem überraschenden Genuss hinzugeben. Denn dies macht nach ihren Angaben
den perfekten Gast aus. Ich möchte in ihrer Küche Mäuschen spielen,
auch wenn sie das gar nicht so gerne mag. Ich möchte all die netten
Menschen in der Villa und in ihrer Umgebung kennen lernen, die so
herzlich portraitiert wurden.
Selten hatte ich ein Buch in den Händen, aus dem die Passion der Macher und
der Hauptperson so deutlich und berührend hervorgeht und ich freue mich
darauf, es immer wieder in die Hand zu nehmen, darin zu lesen und
inspiriert zu werden.
So gingen mir auch die hübschen Zucchiniblüten nicht mehr aus dem Kopf,
die Maria Luisa gerne in ihren Rezepten einsetzt. Wie gut, dass
Ackertinien noch einige letzte bereit hielt. Maria Luisa, ich werde mir Zeit nehmen etwas ganz Köstliches daraus zu zaubern und dabei auf dich anstoßen!
Und wie gut, dass das
Fräulein heute passenderweise noch weitere kulinarische Buchschätze verrät!